Verdacht auf sexuellen Missbrauch bei Kindern und Jugendlichen

So kann es Lehrkräften gelingen, ein Erstgespräch mit Kindern und Jugendlichen zu führen

Verdacht auf sexuellen Missbrauch? So kann es Lehrkräften gelingen, ein Erstgespräch mit Kindern und Jugendlichen zu führen

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Kinder und Jugendliche, die sexuelle Gewalt erlebt haben, brauchen schnelle und zielgerichtete Hilfe. Lehrkräfte können hier erste Ansprechpersonen sein. Doch wie sollten sie sich im Verdachtsfall konkret verhalten?

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Kind geht auf Lehrkraft zu: Wenn ein Kind eine Lehrkraft anspricht, sollte diese so schnell es geht darauf eingehen. Denn später traut sich das Kind vielleicht nicht mehr. Die Lehrkraft sollte ein vertrauliches Gespräch aufnehmen und dabei aufmerksam zuhören und authentisch am Wohlergehen des Kindes interessiert sein.

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Generell sollten sich Lehrkräfte im Verdachtsfall vor dem Gespräch bewusst machen, dass es keine Anzeichen gibt, die sicher für einen sexuellen Missbrauch sprechen. Belastungen und Verhaltensänderungen bei Schülerinnen und Schülern können immer auch andere Ursachen haben. Sich dies vor Augen zu führen hilft dabei, Kinder nicht unabsichtlich zu beeinflussen.

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Lehrkraft geht auf Kind zu: Wenn die Lehrkraft ein Kind aufgrund einer Vermutung anspricht, sollte sie dies behutsam tun und dem Kind erklären, warum sie mit ihm sprechen möchte. Dabei sollte sie: - konkrete Beobachtungen schildern, aber nicht interpretieren. Zum Beispiel: „Mir ist aufgefallen, dass …“  - Interesse und Fürsorge deutlich machen. Zum Beispiel: „Ich habe mich gefragt, wie es dir geht.“ - Gesprächsbedarf formulieren. Zum Beispiel: „Deshalb möchte ich mich gern mit dir unterhalten.“ •	keinen Verdacht benennen.  Dann geht es darum, mit dem Kind über verschiedene Lebensbereiche zu sprechen und potenzielle Belastungsfaktoren offen zu erkunden.

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Im Gespräch sollten Lehrkräfte: - offen zum Berichten auffordern. Zum Beispiel: „Erzähl mal, was passiert ist.“ - aktiv zuhören. Das bedeutet: das Kind sprechen lassen, Zeit geben, nicht unterbrechen, gelegentlich nicken und letzte Äußerungen wiederholen, statt direkt zur nächsten Frage überzugehen.  - offen weiterfragen und das Kind berichten lassen. Zum Beispiel: „Was ist dann passiert?“  - Ja-Nein-Fragen und komplizierte oder lange Sätze vermeiden. - nicht nachbohren, wenn die Kinder und Jugendlichen nicht von einer Gewalterfahrung berichten.

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Wenn Schülerinnen und Schüler über sexuelle Gewalterfahrungen sprechen, dann sollten Lehrkräfte - sich mitfühlend und besonnen verhalten. - zuhören und sie zum Weitersprechen ermutigen. - vermitteln, dass das Kind keine Verantwortung für einen Übergriff trägt.

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Nachdem Schülerinnen und Schüler von einem sexuellen Übergriff berichtet haben, sollten Lehrkräfte: - Wünsche erfragen und Unterstützung anbieten. - darüber informieren, welche Schritte sie nun unternehmen. - mit dem Kind besprechen, welche weiteren Personen informiert werden müssen. - offen mitteilen, dass Lehrkräfte in einem solchen Fall kein Geheimnis bewahren dürfen. - betonen, dass sie dem Kind weiterhin als Ansprechperson zur Verfügung stehen.

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Im BMBF-geförderten Projekt „ViContact 2.0: Erstgespräche bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch – Professionalisierung von Erstbefragenden verschiedener Professionen durch Übung in virtuellen Szenen“ hat ein Forschungsteam um Prof. Dr. Renate Volbert (Psychologische Hochschule Berlin), Prof. Dr. Simone Pülschen (Europa-Universität Flensburg) und Prof. Dr. Jürgen L. Müller (Georg-August-Universität Göttingen, Schwerpunktprofessur für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie) an ein Vorgängerprojekt angeknüpft, in dem Trainings für Erstgespräche mit potentiell von sexuellem Missbrauch Betroffenen entwickelt wurden. Im Training werden neben handlungsrelevantem Wissen auch konkrete feedbackgestützte Übungsmöglichkeiten unter Einsatz von virtuellen Realitäten (VR) angeboten. Zentrale Trainingsinhalte sind die Gesprächsführung mit Kindern und Jugendlichen, das Aufgreifen von Gesprächsangeboten, die korrekte anschließende Gesprächsdokumentation und das Einleiten von konkreten und situationsangemessenen Maßnahmen zum Schutz des Kindeswohls. Ziel der Forschenden im Projekt Vicontact 2.0 war es, das Training abschließend zu evaluieren und es so weiterzuentwickeln, dass es inhaltlich und technisch an beliebigen Standorten eingesetzt werden kann. Außerdem wurde das Trainingsprogramm auf die spezifischen Bedürfnisse weiterer Zielgruppen ausgeweitet, die Erstgespräche mit Kindern bei Verdacht auf sexualisierte Gewalt durchführen. Die Trainingsmaterialien sind ab Mai 2024 über die Website der Europa-Universität Flensburg kostenfrei verfügbar und beinhalten ein Handbuch mit Informationstexten, Power-Point-Präsentationen und Arbeitsmaterialien im PDF-Format.

Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmenprogramm empirische Bildungsforschung gefördert.

Weitere Informationen über das Projekt finden Sie im Themenfinder.

Hier geht’s zur Website des Forschungsprojekts und ab Mai 2024 zu den Trainingsmaterialien für die Lehrkäfte.

Publikationen, die aus dem BMBF-Projekt entstanden sind:

  • Krause, N., Gewehr, E., Barbe, H., Merschhemke, M., Schifner, F., Siegel, B., Müller, J., Volbert, R, Fromberger, P., Tamm, A., & Pülschen, S. (in press). How to Prepare for Conversations with Children about Suspicions of Sexual Abuse?
    Evaluation of an Interactive Virtual Reality Training for Student Teachers. Child Abuse and Neglect
  • Barbe, H., Müller, J. L., Siegel, B., & Fromberger, P. (2023). An open source virtual reality training framework for the criminal justice system. Criminal Justice and Behavior, 50(2), 294-303.
  • Gewehr, E., Volbert, R., Merschhemke, M., Santtila, P. O., & Pülschen, S. (2023, June 1). Cognitions and Emotions about Child Sexual Abuse (CECSA): Development of a Self-Report Measure to Predict Interviewer Bias. PsyArXiv. https://doi.org/10.31234/osf.io/qcfvb
  • Tamm, A., Gewehr, E., & Volbert, R. (2022). „Erzähl mal, was passiert ist!“. Gesprächsführung mit Kindern bei Verdacht auf Missbrauch und Misshandlung. Report Psychologie, 47(10), 16 - 22.
  • Barbe, H., Siegel, B., Müller, J. L., & Fromberger, P. (2020). Welches Potenzial haben virtuelle Realitäten in der klinischen und forensischen Psychiatrie? Ein Überblick über aktuelle Verfahren und Einsatzmöglichkeiten.

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